Ein Problem mit der Sonne

Die kommende Sonnenfinsternis wird zu einem Test für das europäische Stromnetz, wobei die eigentliche Herausforderung im Hochfahren des Netzwerks danach liegen wird.

Bei wolkenlosem Himmel werden am Morgen des 20. März 2015 mehr als 35 Gigawatt Sonnenenergie, was etwa 80 mittelgrossen Kraftwerken entspricht, aus Europas Stromnetzen verschwinden. So klingt die Prognose der Europäischen Übertragungsnetzbetreiber zum Einfluss der kommenden Sonnenfinsternis. Obwohl die totale Sonnenfinsternis nur im Norden Europas zu sehen sein wird, können zumindest partielle Verdunkelungen des Himmels auch im Rest Europas beobachtet werden, was bedeutet, dass das Sonnenlicht zwischen 98 und 30 Prozent, je nach Lage des Betrachters, vom Himmel verschwindet. Der plötzliche Wechsel in der Produktion von Energie aus Sonnenlicht wird eine Herausforderung für die europäischen Netzbetreiber: Dabei stellt sich vor allem die Frage, wie die Verwendung von Reserven koordiniert werden kann, um die Energie in Echtzeit auszugleichen, ohne dabei eine Überlastung des Netzes zu riskieren?

Die Netzbetreiber haben sich auf dieses Datum seit Monaten vorbereitet. „Die Hauptaufgabe für die TSOs ist sicherzustellen, dass genug Energie aus konventionellen Energiequellen in das Netz geleitet wird, damit die Nachfrage während der Finsternis ausgeglichen werden kann, “ erklärt Igor Dremelj, VP Smart Grid  Solutions EMEA bei Landis+Gyr. Da der Beginn und die Dauer des Ereignisses am Himmel sehr gut  im Voraus berechnet werden können, stellt die Bereitstellung von Energie aus konventioneller Erzeugung kein Problem dar. Die Herausforderung bei dieser Angelegenheit können jedoch die Kosten für die Reservekapazität sein. Insgesamt hat Kontinentaleuropa 87 GW Sonnenkapazität installiert, mehrheitlich in Deutschland, Italien und Frankreich. Beispielsweise hat die deutsche Sonnenkapazität seit 2003, als die letzte Sonnenfinsternis stattfand,  eine Entwicklung von nur einigen hundert GW hin zu 38.200 GW durchgemacht. Global gesehen wird die Photovoltaik- Kapazität bis in das Jahr 2018 sich verdoppeln oder sogar eine Verdreifachung erreichen, was die Internationale Energie Behörde zu der Prognose veranlasst, dass bis zum Jahr 2050 Sonnenenergie die weltweit grösste Energiequelle sein wird.

How do you mitigate the impact of renewable integration on your distribution network?

Die Lichter gehen wieder an

„Auch wenn eine Sonnenfinsternis die Phantasien der Menschen anregt, ist sie aus der Sicht der Netzwerkbetreiber nur ein weiteres Beispiel für die allgemeinen Schwierigkeiten, welche gemeistert werden müssen, wenn Energie, die nicht präzise planbar fliesst, ins Netz integriert werden soll, “ meint Dremelj. Die wahre Herausforderung liegt jedoch bei der Reaktivierung des Netzwerkes, wenn nach etwa 90 Minuten kompletter oder partieller Dunkelheit das Sonnenlicht wieder vollkommen zur Energieproduktion verwendet werden kann. Gemäss Erkenntnissen der Universität Berlin, kann der Energieanstieg durch Sonnenlicht innert einer Stunde sogar 18 GW betragen. „Wenn grosse Mengen Energie zurück in das Netzwerk geleitet werden, kann ein Punkt erreicht werden, wo die intelligenten Inverter die Menge, welche in das Netz gespeist wird, automatisch einschränkt,“ erklärt der Experte von Landis+Gyr. Dies kann, wenn vorher nicht bedacht, zu Versorgungsengpässen oder sogar ungeplanten Unterbrüchen in der Stromversorgung der betroffenen Netzwerke führen.

Der optimale Weg, um für weitere plötzlich aufkommende schwierige Wetterverhältnisse vorbereitet zu sein, ist die Einführung von Network Automation auf der Verteilerebene, wie zum Beispiel das Landis+Gyr/ Toshiba Active Network Management (ANM). „Echtzeitinformationen, die durch Sensoren und andere Geräte bereitgestellt werden, ermöglichen ein aktives Netzwerkmanagement und wesentlich kürzere Reaktionszeiten,“ sagt Dremelj. Trotz der grösseren Verbreitung des aktiven Netzwerkmanagements, hinkt die Verwendung von Batterien immer noch hinterher.

Schnell aufladende Batterien sind ideal für ein aktives Management des Netzwerks, was auch die Reduktion der Reaktionszeit beinhaltet, die nach einem Unterbruch der Energieversorgung auftritt. „Ich bin recht zuversichtlich, dass wir mit einem seltenen und plötzlich auftretenden Ereignis, wie der Sonnenfinsternis gut umgehen können. Meine Bedenken richten sich vielmehr auf plötzliche Wetterphänomene, die eine höhere Automatisierung des Verteilnetzwerks benötigen, „ fasst Demelj zusammen.

Diese natürlichen Phänomene setzen, wie im Übrigen auch grosse Sport- und Kulturevents, das Netz einer grossen Belastung aus. Gleichzeitig kann dies auch als eine Möglichkeit gesehen werden, das System robuster zu machen. In der EU sagt die Kommission, dass sie den Umfang des akzeptablen Risikos für Versorgungsunterbrechungen definieren wird, der auch variable Produktionen von erneuerbaren Energien, Demand Response und Energiespeicherung thematisiert. Ferner müssen die Netzwerke, wie die Kommission richtig feststellt, bereit für erneuerbare Energien sein.

Eine Sonnenfinsternis verursacht immer noch eine grosse Belastung in einem Netzwerk mit konventioneller Energieeinspeisung, doch der hohe Anteil an Sonnenenergie erhöht die Belastung exponentiell. Daher ist es unumgänglich, dass die Chance, gegeben durch die fundamentalen Umbrüche im europäischen Energiesystem, ergriffen wird, und Themen wie erneuerbare Energien, Übertragungssicherheit, Energieeffizienz und Innovationen ganzheitlich betrachtet werden. Bis dahin werden sich Himmelsphänomene nicht darum kümmern, welche die energiepolitischen Themen des Tages sind.

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